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KAPITEL 7:
GEFANGEN ZWISCHEN DEN
STERNEN
»Wie lange dauert diese ... Erholung?«
»Unterschiedlich,« warf Perkins ein. »Manchmal Stunden, manchmal ein ganzes ... Wochenende. Viele Soldaten gehen dann auch zu ihren Familien.«
»Hm hm. Ihr habt gut gelernt.« Der Mann lächelte leicht, als er entspannt die Hände auf dem Rücken zusammenlegte. Eine Geste, die Perkins innerlich aufatmen ließ. Die Feuerprobe war schneller gekommen als sie gedacht hatten und lief besser als gehofft. Dieser Mann mit dem tiefschwarzen, kurzgeschnittenem Haar und dem kantigen Gesicht, musste eine wichtige Person bei diesem ganzen Projekt sein, vielleicht sogar einer der Anführer und damit genau einer der Männer, die sie im Auge behalten mussten.
Einige Schritte entfernt trafen sich zwei Spaziergänger und begannen einen Gespräch, das Perkins sehr vertraut vorkam.
»Guten Tag, Herr Myers, wie nett, Sie hier zu treffen. Wie geht es Ihnen?«
»Gut gut, Herr Masters. Vielen Dank der Nachfrage. Und Ihnen?«
»Danke, bei uns ist auch alles in Ordnung. Haben Sie letzte Woche diesen neuen Hollywood Film im Kino gesehen? Ein scheußlicher Machwerk, nicht wahr? Herr Smith sagte noch zu mir, die Qualität von dem, was man uns vorsetzt, wird immer schlimmer, finden Sie nicht auch?«
»Doch doch, da haben Sie vollkommen recht. Ich muss weiter, leider leider. Auf Wiedersehen.«
»Ja, es war sehr nett, Sie getroffen zu haben. Noch einen guten Weg und einen schönen Tag, Herr Myers.«
»Ebenso ebenso, Herr Masters.«
Beide reichten sich die Hände und schüttelten sie. Etwas zu energisch, um wirklich echt zu wirken und auch der Dialog klang laut gesprochen nicht weniger gestelzt als in geschriebener Version. Die Art, wie die beiden dann auseinander gingen, war ebenfalls von einem hölzernen Touch unterlegt.
Der Copaner im Anzug behielt jedoch sein beifälliges Lächeln. »Nun, das geht doch schon sehr gut, nicht wahr?«
Perkins murmelte eine Zustimmung und hoffte, dass von ihm und Peter jetzt nicht auch ein solcher Übungsdialog erwartet wurde. Sie wussten nichts außer den kurzen Abschnitten, die sie Auszugsweise gelesen hatten und er würde wohl auch das nicht auswendig aufsagen können.
Der Zufall kam ihnen zu Hilfe, als ein anderer Mann in normaler Straßenkleidung laufend auf die drei zukam und sich mit einer leichten Verbeugung an den Mann im Anzug wandte. »Karlon, du musst kommen. Es gibt Probleme in der Verwaltung, Achmey schickt nach dir.«
»Gut, ich komme.« Nach einem letzten grüßenden Lächeln schritten beide schnell davon.
Hoffmann atmete erleichtert auf, doch Commander Perkins war hellhörig geworden. »Hast du den Namen bemerkt, mit dem er ihn angesprochen hat?«
»Ja, habe ich. Karlon. Genau wie dieser Typ, der nicht zu den Spielen gegangen ist.«
»Richtig.«
»Vielleicht nur ein Zufall, es kann schließlich mehr Leute geben, die den gleichen Namen haben, genau wie bei uns auf der Erde.«
»Möglich – aber ich glaube es nicht. Mein Instinkt sagt mir, dass dies ein und derselbe Karlon ist. Und wir haben sogar einen zweiten wichtigen Namen bekommen. Achmey.«
»Einen zweiten Namen, ja, aber wieso soll er wichtig sein?«
»Ganz einfach, Peter, weil er nach Karlon geschickt hat und das keiner aus einer untergeordneten Schicht einfach so tun könnte. Er muss wichtig genug sein, um zu entscheiden, dass einer oder sogar der Führer gebraucht wird und Karlon war kein bißchen überrascht. Wenn es beispielsweise auf Delta-4 ein Problem gäbe, würdest du dich an mich oder Oberst Jason wenden. Aber du würdest nicht gleich nach ganz oben gehen und du könntest auch nicht einfach veranlassen, dass General Crinian oder Admiral Lancey zu dir kommt. Und falls du es tätest, würde derjenige nicht einfach Gut, ich komme antworten, also muss dieser Achmey zumindest auf einem ähnlich hohen Rang stehen wie Karlon.«
Hoffmann nickte zustimmend. Interessiert warf er einen Blick durch die offenen Eingangstüren in das Warenhaus, durch das er einige Meter weit hinein sehen und mehrere Warenstände erkennen konnte. Er war neugierig, was die Copaner hier an Waren anbieten würden – echte Exponate von der Erde, Duplikate von vielleicht fotografierten Gegenständen, Fantasieprodukte oder rein copanische Dinge? Doch ihm war klar, dass sie dafür jetzt keine Zeit hatten und so wandte er sich seufzend ab. »Ein Militärlager,« sagte er leise. »Bei dem Gedanken daran, läuft es mir kalt über den Rücken. Glaubst du, dass sie auch auf Delta-4 jemanden eingeschleust haben könnten?«
Perkins hob die Schultern, doch genau der gleiche Gedanke bereitete auch ihm Unbehagen, seit Karlon das Lager erwähnt hatte. »Wir müssen davon ausgehen, dass gerade die Mondstation für sie von größtem Interesse ist, schließlich gilt ihr Hauptaugenmerk dem Dimensionsbrecher und Professor Common. Und ich muss zugeben, die Qualität ihrer Tarntechnik, die sich hier offenbart, macht mich nervös.« Gemeinsam setzten sich die Offiziere wieder in Bewegung und schlenderten scheinbar sorglos die lange Einkaufsstraße hinunter. »Mir ist bis jetzt kein gravierender Fehler in ihrer Maskerade aufgefallen, kein Indiz, mit dem man sie als Fremde identifizieren kann. Ich möchte wissen, ob sie es nur eine äußerliche Maske ist, oder ob es tiefer geht.«
»Was meinst du mit tiefer?«
»Die Copaner sind uns in technischer und medizinischer Hinsicht um etliche Jahrhunderte voraus, Peter, und ich halte es für ausgeschlossen, dass es sich nur um eine Art Latexmaske handelt. Eine künstliche Maske wäre viel zu anfällig und da die Agenten sich Wochen und Monate auf der Erde aufhalten und mit den Menschen zusammen leben müssen, können sie sich keine Anfälligkeit leisten. In so einer Situation kann es immer vorkommen, dass sie unvorbereitet auf Menschen treffen und auch dann muss die Maske perfekt sein, nicht nur, wenn sie ausreichend Zeit hatten, sie mühsam neu anzulegen.«
»Aber wenn du recht hast... Dann gibt es keinen Weg für uns, sie aufzuspüren.«
Perkins ging langsamer und beobachtete einen großen LKW, der gerade aus einer schmalen Nebenverbindung auf die Hauptstraße fuhr. Obwohl die Details nicht ganz stimmten und die normalerweise bewegliche Plane über dem Rückteil hier aus angemalten Blech bestand, war der Wagen doch sofort als Militärzugehörig zu erkennen. Wenn dieser aus dem militärischen Übungslager kam, war diese Seitenstraße genau der Weg, den sie gehen mussten. Entschlossen schritt er energischer aus. »Wir werden einen Weg finden, alle Fremden auf der Erde aufzuspüren, Peter. Wir müssen es. Das ist unsere Aufgabe, deswegen sind wir hier.«
»Ach was,« brummelte Hoffmann und hielt problemlos mit dem Commander Schritt. »Aber bevor wir jetzt die extraterristischen Probleme der Erde lösen, gibt es etwas naheliegenderes, um das wir uns kümmern müssen.«
»Was meinst du?«
»Essen.« Hoffmann fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund. »Verdammt, Randy, wir haben seit gestern morgen nichts mehr gegessen und mir hängt allmählich der Magen auf halb Acht.«
Perkins grinste leicht und spürte seinen eigenen Hunger. Nachdem Peter das Thema einmal angesprochen hatte, wunderte er sich, wie er das nagende Gefühl bisher hatte ignorieren können. Wie zur Bestätigung gab sein Magen ein unmissverständliches Knurren von sich.
»Aha! Wie ich sehe, sind wir einer Meinung.« Genüßlich leckte Peter Hoffmann sich die Lippen. »Jetzt ein gut gebratenes Steak und vielleicht ein paar knusprig braune Bratkartoffeln...«
»Ich bedaure außerordentlich, aber ich fürchte, dass ich damit nicht dienen kann, mein Freund.«
Peter sah sich um und rieb sich leicht die Hände. »Na ja, nicht so schlimm. Im Moment würde ich sogar mit einer Currywurst vorlieb nehmen.«
»Ich bin nicht sicher, ob du so etwas hier findest.«
»Wieso?« Hungrig taxierte der Major das Werbeplakat einer Wurstbude.
»Na, schnupper doch mal. Riechst du vielleicht irgendetwas wie heißes Fett oder bratende Würste?«
»Was?« Peter stutzte und hielt die Nase in den Wind. »Nein. Verdammt, ich rieche überhaupt nichts.«
Perkins bog in die Nebenstraße ab, aus der der LKW gekommen war. »Eben. Erinnere dich, die meisten Copaner sind Vegetarier und ganz gleich, wie gut ihre Nachbildung vom Leben auf der Erde hier ist, sie werden zu Übungszwecken mit Sicherheit Nahrungsmittel nutzen, die für sie gut verträglich sind. Also einheimisches Obst, vielleicht Gemüse. Und da wir nur ein paar wenige der Sorten eindeutig identifizieren können, wenn sie original und nicht verarbeitet sind, sollten wir uns auf das Risiko einer Vergiftung nicht einlassen.«
»Hm.« Hoffmann schob sich die an die Mauer eines großen Hauses, als ein gefährlich schaukelnder Wagen durch die schmale Straße fuhr, der fast wie ein Jeep aussah. »Bah. Currywurst aus Kohlrabi. Banausen!«
Während sie weiter gingen, hörte Perkins seinen Partner die ganze Zeit leise vor sich hin murmeln. Er machte sich jedoch keine Sorgen, denn er wusste, dass Hoffmann trotzdem genauso aufmerksam ihre Umgebung im Augen behielt, wie er selbst. Die leisen Selbstgespräche dienten nur dazu, seine Anspannung abzubauen und sie arbeiteten lange genug zusammen, dass er diese spezielle Angewohnheit einfach ausfiltern konnte.
Auch hier in der Nebenstraße waren die Häuser exakt nachgebildet, mit kleinen Treppen zu den Kellern oder Warenanlieferungen, die unteren Fenster vergittert und die oberen mit Gardinen und manchmal sogar Blumentöpfen geschmückt. Der Commander Perkins fuhr mit einem Finger über die rote Backsteinwand. Er fühlte den typische rauhen Charakter echter Klinkersteine und stutzte einen Moment. Es konnte doch unmöglich sein, dass die Copaner echtes Baumaterial in solchen Massen von der Erde mitgebracht hatten. Neugierig kratzte er mit einem Fingernagel über die poröse Oberfläche und war fast erleichtert, als die äußere Schicht abging und darunter eine Art Fertigbaubeton hervorkam. Nur Maskerade. Trotz der Gefahr konnte er sich eines Gefühls des Hochachtung gegenüber den Verantwortlichen nicht erwehren. Es war eine enorme Leistung, das hier alles aufzubauen und die notwendigen Daten die ganze Zeit von der Erde unbemerkt hierher zu leiten. Es bestätigte seine Befürchtung, dass sich damals, kurz vor dem Escape-Zwischenfall nicht nur Arentes, sondern mit ihm auch gleich mehrere Agenten auf der Erde eingeschlichen hatten. Seit dem waren fast neun Monate vergangen. In dieser langen Zeit hatten sich die Agenten in das irdische Alltagsleben integriert, hatten die fremden Gewohnheiten angenommen, redeten nur in der menschlichen Sprache, verbrachten ihre Freizeit mit Menschen, hatten vielleicht sogar Freundschaften geschlossen und mussten nach all den Monaten sogar beinahe ein Gefühl von Zugehörigkeit empfinden. Eine unglaubliche Aufgabe. Er kannte einige Undercover-Agenten, harte, gut ausgebildete Männer, die irgendwo eingeschleust worden waren und die nach einem halben Jahr völlig aufgelöst bei ihrem Vorgesetzten erschienen und weinend darum bettelten, ihr altes Leben wieder zu bekommen. Was für ein Gefühl musste es für die copanischen Agenten sein, diese Möglichkeit nicht zu haben? Sie konnten nicht einfach ausbrechen oder wie zufällig an ihrem Zuhause vorbeifahren, um wenigstens einen Blick auf ihre wahres Ich zu werfen. Ihre Heimat war endlose Lichtjahre entfernt, sie waren im wahrsten Sinne des Wortes in der Ferne gestrandet. Ein Wunder, wenn nicht einer von ihnen bei diesem Gedanken ein wenig durchgedreht war.
Sie hatten das Ende der Straße erreicht und blieben an der Ecke stehen. »Shit!« entfuhr es Peter Hoffmann unwillkürlich und Commander Perkins stimmte mit einem ähnlichen Kraftausdruck zu. Das, was sie vor sich sahen, überstieg ihre schlimmsten Befürchtungen.
Offenbar hatten die Copaner die Stadt nicht wirklich in voller Größe aufgebaut, sondern nur solche Teile in denen sich das öffentliche Leben mit viel Kontakten abspielte und sie die Anweisungen von den Papieren einstudieren konnten. Der größte Teil der Stadt war nur ein Hologramm – allerdings von außerordentlich guter Qualität und erst jetzt, wo die beiden Offiziere direkt davor standen, konnten sie das leichte Flimmern sehen, mit dem sich die künstliche Silhouette vor der wirklichen Landschaft erhob. Doch das war es nicht, was die beiden Offiziere schockierte, sondern das, was hinter dem Hologramm auftauchte.
Nicht wie sie erwartet hatten ein Militärlager, sondern Raumschiffe. Eine ganze Flotte von kleinen, wendigen Schiffen, die ständig starteten und landeten und als sie den Weg mit den Augen verfolgten, war einige Kilometer über ihnen die Schatten mehrerer Diskusse sichtbar, die alle einen Durchmesser von über einen Kilometer hatten. Die kleineren Beiboote flogen in einem regen Strom hinauf und hinab. Offenbar wurden die Mutterschiffe beladen, denn am Boden herrschte rege Aktivität und ein Gewusel hunderter und aberhunderter Personen an den Start- und Landerampen verriet die Größe der anti-terranischen Invasionsgruppe, die sie bisher offenbar gefährlich unterschätzt hatten. Perkins zählte vier Mutterschiffe, deren Größe ausreichte, um sicherlich tausend Raumfahrern Platz zu bieten und die Vorstellung, alle könnten sich vollbemannt auf den Weg zur Erde machen, entsetzte ihn. Der Regierungsrat der Erde musste sofort über diese immense Gefahr informiert werden. Nur wenn sie sofort begannen, Gegenmaßnahmen zu entwickeln, hatte die Erde gegen diese Macht eine Chance.
Entschlossen hob er den Arm und hielt sein Chronometer vor den Mund, in dem ein winziger Sender eingebaut war, der sich bei direkter Ansprach automatisch einschaltete. »Camiel, bist du in Funkreichweite?«
Bereits nach einer Sekunde ertönte die beruhigende Antwort. »Ja, Sir. Ich habe Ihren Auftrag erledigt und befinde mich ungefähr 863 Meter westlich von Ihrer derzeitigen Position.«
»Gut. Komm sofort hierher. Umgehe die Stadt bis zur südlichen Seite, dort wirst du einen Raumhafen sehen und da hier auch viele Roboter im Einsatz sind, wirst du nicht auffallen. Beeile dich!«
»Ich bin bereits unterwegs, Sir.«
»Das ist nicht gut, Randy,« murmelte Hoffmann. »Überhaupt nicht gut.«
»Allerdings nicht. Crinian muss diese Bilder so schnell wie möglich bekommen.«
»Jah, sicher... Aber es wird ihm nicht helfen, die Invasoren als solche zu erkennen. Die Masken sind verdammt gut und auch wenn sie etwas gestelzt reden, wird keiner einen zweiten Gedanken daran verschwenden.«
Commander Perkins nickte. »Es wird unsere Aufgabe sein, ihm etwas zu liefern, mit dem er sie enttarnen kann.«
»So einfach, ja? Und wie hast du dir das vorgestellt?«
Unbeeindruckt hob der Commander die Achseln. »Wir müssen einen maskierten Copaner gefangen nehmen und zusammen mit den Bildern bei der nächsten Kontaktaufnahme mit dem Dimensionsbrecher zur Erde schicken. Herauszufinden, wie die Maskerade funktioniert, ist dann die Aufgabe von der Abwehr.«
»Äh, du hast aber nicht vergessen, Randy, dass wir beide nur zu zweit sind, ja? Das dort sind mindestens tausend Leute. Wenn die uns entdecken, ist es aus mit uns.«
»Wir dürfen uns eben nicht entdecken lassen.«
»Ach so. Na dann... Das hättest du ja auch gleich sagen können.«
Der Commander ging nicht auf den sarkastischen Tonfall ein, sondern beobachtete konzentriert die Vorgänge auf den Startrampen und suchte, das System zu ergründen. Peter hatte nicht unrecht. Wenn sie gefaßt würden, wäre nicht nur ihre ganze Mission gescheitert, vielleicht sogar ihr Leben verwirkt. Die Mitglieder dieser militanten Gruppe waren ohnehin schon vom Grund her feindlich gegenüber Terranern eingestellt, sonst würden sie an einem solchen Projekt nicht mitmachen und sie würden sicherlich nicht freundlich mit gegnerischen Spionen umgehen. Zumal diese auch noch die beiden meistgesuchten Terraner im copanischen Reich waren. Viel schlimmer war aber noch etwas anderes. Es war zwar nur eine Ahnung, doch Perkins vermutete stark, dass diese Copaner bei weitem religiöser waren als der Großteil des Reiches. Es gehört eine Menge Fanatismus dazu, sich auf ein Leben als Fremder auf einem fremden Planeten ausbilden zu lassen, in der gewissheit, dass man monate- vielleicht jahrelang in dieser Fremde bleiben musste. Und er wagte nicht sich vorzustellen, was so überzeugte Fanatiker mit den Frevlern von Palenke anstellen würden, wenn sie sie erwischten. Damals sollten sie auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden. Nur Professor Commons schnelles und beherztes Eingreifen hatte sie gerettet und der Commander legte nicht den geringsten Wert darauf, diese Erfahrung zu wiederholen. Zumal eine Rettung durch den Dimensionsbrecher dieses Mal weitaus unwahrscheinlicher war.
Peter Hoffmann stieß Perkins leicht von der Seite an und deutete nach rechts. »Camiel kommt.«
Wie ein grüner Schatten huschte KA-ZD-TR 3379 zwischen Containern und Säcken hindurch und gelangte völlig ungesehen bis zu den Offizieren.
Perkins wies mit einer umfassenden Geste auf die gesamte Anlage. »Nimm alles auf, Camiel. Du musst so viele Details wie möglich erfassen. Sie dich um. Belausche Gespräche, wenn du kannst, zeichne sie auf und speichere alles, was du erfährst. Du hast eine halbe Stunde, dann erwarte ich dich zurück.«
»Ja, Sir.«
Schattenhaft wie er gekommen war, verschwand der Androide wieder.
»Eine halbe Stunde? Und was machen wir in der Zeit?«
»Wir suchen uns aus, wen wir zur Erde schicken werden und verschnüren ihn für Oberst Jason zu einem feinen Paket.« Der Commander deutete auf einen etwa vierhundert Meter entfernten Hangar. Nur ein paar Männer waren dort, doch sie schienen nicht wirklich beschäftigt zu sein, sondern standen in einer Gruppe zusammen und unterhielten sich. Er wusste nichts von den Arbeitszeitregelungen der Copaner, doch wenn es so etwas auch hier gab, dann nahmen die Männer dort wohl gerade eine solche Auszeit. Nach einer kurzen Weile schlenderten zwei von ihnen auf etwas zu, das Perkins als eine Art Wohnbaracke identifizieren würde, wenn er raten musste und genau das tat er und traf seine Entscheidung. »Die beiden dort.« Er streckte die Hand aus und zeigte dem Major, wen er meinte. »Wir holen uns einen von denen.«
»Hmhm. Sieht aus, als würden sie Feierabend machen, oder sowas.«
»Ganz genau. Der beste Zeitpunkt für uns zum Zuschlagen. Wenn sie tatsächlich mit ihrer Arbeit fertig sind, wird keiner sie bis zum Beginn der nächsten Schicht vermissen.«
»Nur zu dumm, dass wir keine Ahnung haben, wie lange eine Schicht hier dauert oder wie lange ihre Ruhepausen sind.«
»Ich halte das nicht für ein Problem. Nach allem was wir bisher wissen, funktioniert der copanische Organismus im Grunde genauso wie unserer und das heißt, dass auch sie eine angemessene Ruheperiode benötigen. Ich denke, dass wir problemlos von einer Zeitspanne zwischen sechs und acht Stunden ausgehen können. Also mehr als genug Zeit für uns.«
Vorsichtig schlichen die beiden Offiziere auf ihr Ziel los. Dabei nutzten sie jede möglich Deckung, die es hier genügend gab, denn alle möglich Kisten, Kästen und Container standen auf dem ganzen Gelände verstreut herum, so dass ungeschützte Strecken kaum vorkamen und wenn, waren es immer nur ein paar Meter, die sie im Sprint in wenigen Sekunden überquerten. Erst als sie sich den schmucklosen Gebäuden am Rand des Landefeldes näheren, lag nur noch offenes Gelände vor ihnen. Aus der Nähe verstärkte sich der Eindruck von notdürftigen Wohnunterkünften noch. Jedes der etwa fünf mal sieben Meter großen und knapp zwei Meter hohen Konstruktionen aus unverkleidetem Metall hatte jeweils nur eine Tür und zwei Fenster.
Sie hockten hinter einem mittelgroßen Container, der die Hitze der Mittagssonne in sich aufgenommen hatte und diese auch in seinem Schatten großzügig abgab.
»Die Fenster sind von außen undurchsichtig, wie bei den anderen Wohnräumen auch. Ein Glück für uns. So können wir nicht zufällig beobachtet werden, wenn wir erst einmal drinnen sind.«
»Drinnen werden wir es mit mindestens zwei Copanern zu tun bekommen. Vielleicht sind sogar noch mehr da drin, das können wir nicht wissen. Wir sollten unsere Waffen in der Hand haben, wenn wir reingehen.«
»Ich will keinen von ihnen töten, Peter.«
»Nein, natürlich nicht, aber wir wissen nicht, wie viele da drin sind. Es können weitaus mehr als nur die beiden sein, die wir gesehen haben.«
»Trotzdem werde ich nicht mit gezogener Waffe eindringen. Eine Waffe, die man bereits in der Hand hat, kann viel zu schnell benutzt werden. Wir sind im Kampf gut genug ausgebildet, um es mit zwei oder auch vier Copanern aufzunehmen, vor allem da wir das Überraschungsmoment auf unserer Seite haben.«
Kommentarlos schob Major Hoffmann seine halb gezogene Waffe wieder in das verdeckte Futteral. Er kannte den Commander gut genug um zu wissen, dass bei diesem Thema eine Diskussion völlig sinnlos war und außerdem hatte er recht. Sie beide waren top ausgebildete Spezialisten und in diversen waffenlosen Kampftechniken trainiert.
Nach einem schnellen Sprint über die karge Sandfläche stürmten die beiden Offiziere mit einem Sprung durch die Tür. Mit einem schnellen Rundblick nahmen sie rasch die Umgebung in sich auf und stellten fest, dass sich zu ihrem Glück tatsächlich nur zwei Copaner in dem Wohnkasten aufhielten. Es erwies sich, dass die Einschätzung des Commanders richtig gewesen war. Die beiden waren so verblüfft über das plötzliche Eindringen, dass sie schon von einem kräftigen rechten Haken niedergestreckt auf dem Boden lagen, bevor sie reagieren oder auch nur mehr tun konnten, als die Eindringlinge verdutzt anzusehen.
Hoffmann schüttelte seine Hand. »Jetzt weiß ich, wie Jason sie identifizieren kann. Er muss nur jedem männlichen Wesen auf der Erde einen Kinnhaken verpassen. Diejenigen, bei denen er sich dabei die Knöchel verstaucht, sind eindeutig Copaner.«
»Du kannst ihm ja gerne einen entsprechenden Vorschlag unterbreiten. Ich sorge dafür, dass Camiel deine Empfehlung in die Sendung für die Erde mit aufnimmt.
»Das bringst du fertig, was?«
Perkins grinste kurz. »Aber klar doch, mein Freund. Ich will deinem Aufstieg auf der Karriereleiter doch nicht im Wege stehen und ich werde gerne darauf hinweisen, dass die Anregung alleine von dir kommt.«
Hoffmann warf seinem Partner einen finsteren Blick zu, doch der Commander hatte ihm schon den Rücken zugedreht und begann mit einer raschen, aber gründlichen Durchsuchung des äußerst spartanisch eingerichteten Quartiers. Er fand jedoch nichts. Es gab keinerlei persönliche Gegenstände, keine Briefe, Bilder oder auch nur eine Armbanduhr. Nicht einmal irgendwelche Geräte zum Musik hören, Filme gucken oder etwas anderes zur Entspannung. Dies schien nicht mehr als eine Schlafbaracke zu sein, in der die Arbeiter sich für einige Stunden aufs Ohr legten, denn neben einem Tisch mit zwei Stühlen, einer Naßzelle und einer kleinen Kochnische gab es nur zwei Betten, auf denen die Decken bereits einladend aufgeschlagen waren. Offenbar hatten sich die beiden gerade zum Schlafen legen wollen, denn einen der beiden hatte Perkins wohl auf dem Weg ins Bad erwischt, denn er hatte sich bereits seiner Kleidung entledigt und lag in einer Art Unterhose vor ihnen, die sich eng wie eine zweite Haut an die Schenkel schmiegte, die voll sehniger, harter Muskeln waren.
Der Commander zog eine Kordel reißfester Schnur aus einer Innentasche und fesselte den Copaner mit raschen, geübten Bewegungen. Egal wie kräftig die Gefangenen sein mochten, dieses Material war fast unverwüstlich und könnte das Gewicht von ihm selbst, Peter Hoffmann und dem Androiden problemlos zusammen tragen und hatte sich schon in mehreren Einsätzen als Fesselmaterial bestens bewährt. Hoffmann tat es ihm gleich und sah sich dann nach etwas um, das als Knebel nutzbar war. Er fand etwas, das offenbar eine Socke war. Grinsend rollte er den Stoff zu einer Rolle zusammen, stopfte sie seinem Gefangenen in den Mund und fixierte es mit einem kurzen Streifen Klebeband. Das gleiche tat er mit dem anderen auch und betrachtete dann sein Werk zufrieden.
»Ich hoffe nur, das waren nicht die getragenen,« bemerkte Perkins trocken.
»Vielleicht wären sie dann kooperativer, wenn Crinian ihnen anbietet, sie davon zu befreien. Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt, das weißt du doch.«
»Dann bleibt nur zu hoffen, dass die Copaner nichts von den Genfern Konventionen wissen. Sonst sitzt du plötzlich in einem Haufen Mist, wenn wir nach Hause kommen.«
»Ha ha.«
Perkins wandte sich schmunzelnd einem der Fenster zu und blickte hinaus. »Ein faszinierendes Material. Von außen vollkommen undurchsichtig, aber von drinnen kann man so gut hindurchsehen wie durch frisch poliertes Glas. Selbst die Farben und die Helligkeit der Sonne sind völlig unverfälscht.«
»Ich hoffe, du schlägst jetzt nicht vor, dass wir auch noch ein Fenster ausbauen und mitschicken sollen. Sonst denkt Oberst Jason nachher noch, wir hätten Weihnachten vorverlegt bei so vielen Geschenken.«
»Nicht heute,« beruhigte der Commander seinen Freund. Dann sah er auf sein Chronometer. »Komm, wir sollten uns beeilen. Immerhin müssen wir unsere Freunde hier ein ganzes Stück tragen. Ich schätze, es sind gut zweihundert Meter bis zu den ersten Bäumen und erst im dichten Wald sind wir vor einer zufälligen Entdeckung sicher.«
Major Hoffmann stöhnte theatralisch, doch im Gegensatz zu dem scherzhaften Laut hob er sich den bewusstlosen ohne Probleme auf die Schultern und bewies damit die Stärke, die in seinem untersetzten, kraftvollen Körper steckte. Commander Perkins, der zwar größer, aber wesentlich schlanker war als der Major, brauchte zwei Anläufe, um den Gefangenen in die richtige Position zu hieven. Doch dann war auch er soweit.
Nach einem letzten Kontrollblick aus dem Fenster traten sie schnell aus der Tür, die Hoffmann geistesgegenwärtig hinter ihnen wieder zuschnappen ließ, und beeilten sich, hinter die Baracke zu kommen.
»Da haben wir eine ganz schöne Strecke vor uns.« Hoffmann musterte die ebene Sandfläche, die sich um das ganze Landefeld herumzog und bis an den Wald heranreichte.
Perkins deutete direkt geradeaus. »Wenn wir von hier aus in gerader Linie laufen und den Winkel richtig einhalten, wird dieser Container zumindest für den größten Teil der Strecke ein guter Sichtschutz sein. Erst auf dem letzen Ende wird man uns sehen können.«
»Nicht gerade sehr beruhigend. Egal wie schnell wir laufen, wir werden nie schneller sein als eine Kugel oder eine von ihren Strahlenwaffen.«
»Ich gehe davon aus, dass wir dann schon zu weit weg sind, als dass die Copaner, die vielleicht gerade zufällig in unsere Richtung sehen, Einzelheiten erkennen können. Selbst wenn sie sich wundern, wer da so eilig in den Wald läuft, werden sie hoffentlich nicht sofort misstrauisch werden und Alarm schlagen oder gleich schießen. Trotzdem sollten wir so schnell laufen, wie wir können.«
»Das hatte ich sowieso vor.«
»Sehr gut. Dann also los!«
Nur wenige, aber äußerst anstrengende Minuten später stoppten die beiden Offiziere ihren Lauf ziemlich abrupt unter dichtbelaubten, hochgewachsenen Bäumen und ließen ihre Last schwer atmend von den Schultern sinken. Für einen Moment lehnten sich beide gegen die breiten Stämme. Bei einer solchen Anstrengung machte sich der niedrigere Luftdruck und der geringere Sauerstoffgehalt der Atmosphäre dieses Planeten unangenehm bemerkbar. Und die Hitze der sengenden Mittagssonne war eine zusätzliche Belastung, die die Körper der beiden Terraner stark beanspruchten. Schnaufend öffnete Hoffmann den Reißverschluss seines Overalls einige Zentimeter und fächelte sich Luft zu. »Und das alles auf leeren Magen,« stöhnte er leise.
»Wenn Camiel zurückkommt und mit diesen beiden hier zum Materialisationspunkt aufgebrochen ist, werden wir zu unserer Ausrüstung gehen, die er mitgebracht hat. Da haben wir noch genug zu Essen und vor allem genug zu trinken.«
»Amen!«
Nach einem letzten tiefen Durchatmen bückte Perkins sich zu dem noch voll bekleideten Gefangenen und begann, ihn systematisch abzutasten. In einer der inneren Jackentaschen fühlte er etwas. Vorsichtig schlug er die Jacke auseinander und zog es heraus. Einige zu einer platt gedrückten Rolle geformte Blätter kamen heraus, die sich nach einem kurzen Blick als weitere Verhaltensübungen herausstellten, allerdings nicht für Zivilisten, sondern für Soldaten. Mit zackig-kurzen Begrüßungsfloskeln und einem Abriß über die Rangstruktur. Er las nur ein paar Sätze davon, doch sie reichten aus, um ihn noch weiter zu beunruhigen. Mit dem ganzen Inhalt und der genauen Bedeutung konnte sich die Abwehr auf der Erde beschäftigen. Als er die Papiere zurückstecken wollte, ertasteten seine Finger noch etwas anderes. Er griff noch einmal in die Tasche und zog ein kleines, rotes Plättchen heraus. Verdutzt betrachtete der Commander es. Nur wenige Millimeter hoch, kreisrund und mit einem copanischen Schriftzeichen auf einer Seite, sah es aus wie ein Spielplättchen, wie es sie bei einigen Kinder- und Gesellschaftsspielen auch auf der Erde gab.
»Was hast du da?«
Er reichte das Plättchen an Hoffmann weiter und durchsuchte noch einmal gründlich alle Taschen, doch weiter gab es nichts zu finden. Also stand er wieder auf und sah zu, wie Peter die kleine Scheibe ratlos zwischen den Fingern drehte.
»Es sieht wie so ein Spielzeugding aus.«
»Ja, habe ich auch zuerst gedacht, doch das glaube ich nicht. Er hat weder so etwas wie einen Ausweis oder Haustürschlüssel noch sonst etwas privates bei sich, nur diese Papiere mit Anweisungen für militärische Ausdrucksweisen und das da. Daher halte ich dieses Ding für wichtig, was auch immer es sein mag.«
Perkins Handfunkgerät summte leise. »Ich komme jetzt zu Ihnen, Sir« klang die Stimme des Androiden heraus und bevor der Commander noch antworten konnte, tauchte die grüne Gestalt schon zwischen den Bäumen auf. Perkins wusste die Vorwarnung zu schätzen. Viel zu leicht hätten er oder Hoffmann auf den Roboter schießen können, wenn dieser urplötzlich erschienen wäre. Nicht dass sie Camiel ernsthaft beschädigt hätten, doch es wäre immerhin möglich gewesen, dass die Schüsse einen Baum trafen und in Brand setzten und das konnte den kaum dreihundert Meter entfernten Einheimischen kaum verborgen bleiben.
Er nickte ihm zu. »Hast du gute Aufnahmen machen können?«
»Ich denke schon, Sir. Ich habe ein Gespräch aufgezeichnet, in dem es um die Flugzeiten der Raumschiffe geht und die Menge an Ressourcen, die dafür notwendig sind. Ein weiteres, in dem sich mehrere Arbeiter über die Familie eines Agenten unterhalten haben, der offenbar im Einsatz getötet wurde. Ansonsten mehrere kurze Konversationen, in denen es hauptsächlich um Anweisungen, oder die Inhalte der Kisten ging, doch ich denke, alles zusammen ergibt einen guten Überblick über die ganze Situation.«
»Gut. Hast du alles auf einem Chip gespeichert?«
»Natürlich, Sir.«
Perkins deutete auf die immer noch bewusstlosen Copaner. »Diese beiden Gefangen hier schickst du auch zur Erde. Gib eine Warnung hinzu, dass es sich bei ihnen um sicherlich bestens ausgebildete Agenten handelt. Die Leute von der Abwehr sollen vorsichtig sein.«
KA-ZD-TR 3379 neigte bestätigend den Kopf. »Dann wäre es vielleicht angebracht, wenn die Copaner bewusstlos im Labor des Professors ankommen.«
»Wie du siehst, haben wir das schon erledigt. Was soll diese Bemerkung?«
»Da muss ich dir leider widersprechen, Paps. Seit ich hier bin, hat sich der Atemrhythmus von beiden Gefangenen mehrmals verändert, ebenso die Spannung in Arm- und Beinmuskeln.«
»Was?« Verblüfft sahen die Offiziere auf die für ihre Sinnesorgane reglos daliegenden, gefesselten Männer. misstrauisch kniff Perkins die Augen zusammen. »Soll das heißen, die beiden sind wach?«
»In der Tat, Sir. Möglich, dass sie erst kurz vor meinem Erscheinen wieder zu bewusstsein gekommen sind, doch definitiv hören sie uns seitdem die ganze Zeit aufmerksam zu.«
Einer der Gefangenen schien es nach dieser Bemerkung nicht mehr für nötig zu halten, sich weiterhin zu verstellen. Er öffnete die Augen und starrte haßerfüllt zu ihnen hoch. »Was auch immer ihr versucht, Menschen,« krächzte er voller Verachtung »ihr werdet uns nicht aufhalten. Wir werden euren kleinen, verletzlichen Planeten zerstören und eure ganze Rasse aus dem Universum tilgen. Nichts, gar nichts wird von der Menschheit zurückbleiben und wir werden dafür sorgen, dass eure Existenz nicht einmal in Geschichten oder Legenden weitergegeben wird.«
»Das werden wir erst noch sehen, du ... du getarnter Maskenmensch,« knurrte Hoffmann und trat dem liegenden unsanft in den verlängerten Rücken.
Perkins griff um seinen Arm und zog ihn zurück. »Laß das, Peter! Ich dulde nicht, dass Gefangene mißhandelt werden.« Dann wandte er sich wieder dem Gefangenen zu. »Warum wollt ihr die Erde zerstören?«
»Das fragst du auch noch, Ungläubiger? Ihr habt das Heiligtum von Palenke entweiht und ihr habt euch eurer gerechten Strafe entzogen.«
»Aber das waren nur Peter und ich,« hielt Perkins dagegen. »Die Menschen auf der Erde haben nichts damit zu tun. Die meisten wissen noch nicht einmal etwas von unseren Missionen.«
»Als ihr geflohen seid, habt ihr das Schicksal eures Planeten besiegelt. Und dann habt ihr uns auch noch verhöhnt, als ihr uns für die Letzte Strafe einen falschen Planeten angeboten habt. Nein, es gibt keine Rettung mehr für euch. Ihr müsst sterben. Alle!«
Perkins hockte sich neben den Gefangenen hin und sah ihn eindringlich an. »Ist euch denn nicht klar, dass wir damals völlig unschuldig in euer Heiligtum eingedrungen sind? Wir wollten die Heiligkeit dieses Ortes nicht stören, wir wollten euch nicht beleidigen. Wir sind mit dem Dimensionsbrecher auf dem Planeten gelandet und haben die Botschaft der Satelliten nicht gehört. Als wir unseren Fehler entdeckten, haben wir uns bemüht, so schnell wie möglich wieder zu verschwinden.«
»Irrelevant, Mensch« fauchte der Copaner. »Ihr habt den verbotenen Planeten betreten, ihr habt Häuser und Anlagen darauf gebaut. Ihr habt die Reinheit des ganzen Planeten beschmutzt und dafür gibt es nur eine Strafe. Den Tod!«
Als der Commander den Mund zu einer neuen Antwort öffnete, legte Major Hoffmann ihm eine Hand auf die Schulter. »Laß gut sein, Randy. Sie wollen einfach nicht verstehen, ganz egal wie sehr du ihnen auch die Wahrheit sagst. Es sind einfach blinde Fanatiker, verbohrt und engstirnig und mit solchen Leuten kann man nicht diskutieren. Verschwende unsere Zeit nicht mit diesen Dickköpfen, an denen kann sich Oberst Jason die Zähne ausbeißen. Wir haben selbst noch genug zu tun und außerdem habe ich Hunger, verdammt.«
Perkins erhob sich und sah dem Mann noch einen Moment in die wild glühenden Augen. Nach seiner Auffassung war eine Diskussion die beste Möglichkeit der Auseinandersetzung und wenn beide Seiten ihre Argumente vorgebracht hatten, fand sich für zwei intelligente Wesen immer eine Lösung. Doch er wusste auch, dass Peter in diesem Fall recht hatte. Der Ausdruck in den Augen des Gefangenen war eindeutig und ließ keine andere Interpretation zu. Der Commander nickte. »Du hast recht, Peter...«
In diesem Moment brachen schwer bewaffnete Copaner von allen Seiten auf die Lichtung ein. Dutzende von Gewehren richteten sich auf die kleine Gruppe und das rötlich schimmernde Glühen an den Enden der Rohre deutete auf tödliche Bereitschaft hin. Hoffmann fluchte leise.
»Keine Bewegung,« schnarrte einer der Bewaffneten. »Ihr seid umzingelt, es gibt keinen Fluchtweg für euch.«
Ein einziger Rundblick verriet dem Commander, dass er recht hatte. Wie zufällig trat er einen Schritt vor, bis er direkt neben dem Androiden stand. »Camiel, führe deinen Auftrag aus,« flüsterte er ihm schnell zu. »Und wenn du kannst, kehre zu uns zurück.«
»Ruhe! Weg von dem Roboter!« donnerte die Stimme und als sich die Gewehre bedrohlich anhoben, trat Perkins wieder zurück. Er warf Major Hoffmann einen Blick zu, dann hoben beide Offiziere die Hände in Schulterhöhe. Wie um den Befehl zu befolgen, gingen sie zur Seite und blieben erst stehen, als der Befehlshaber seine Energiewaffe ruckartig bewegte. Doch sie hatten damit erreicht, was sie wollten. Sie waren einige Meter von dem Androiden entfernt und alle Copaner richteten ihre Aufmerksamkeit nur auf die beiden Menschen. Dadurch öffneten sie den Kreis an einer Stelle, um die Offiziere einzukreisen und Camiel nutzte den Moment der Unachtsamkeit wie Commander Perkins ihm befohlen hatte. Blitzschnell griff er sich die Gefangenen, die er sich mühelos unter die Arme klemmte und verschwand so schnell zwischen den Bäumen, dass es wie Magie aussah.
Aufgeregtes Geschnatter in der Heimatsprache der Copaner erhob sich und einer von ihnen warf sich gedankenschnell herum, um dem Androiden zu folgen, doch er kam bereits nach wenigen Minuten wieder zurück.
Zwar verstanden die beiden Offiziere die Worte nicht, die er an seinen Vorgesetzten richtete, doch der Tonfall war nicht mißzuverstehen.
»Wohin ist Ihr Roboter verschwunden?« herrschte der hochgewachsene Copaner sie an.
»Ich weiß es nicht,« antwortete Commander Perkins ruhig. Er log damit nicht. Tatsächlich konnte er im Moment nicht sagen, an welchen Koordinaten oder zu welcher Zeit der nächste Kontaktpunkt lag.
Der Copaner sah ihn an. Dann traf er offenbar eine Entscheidung und machte eine unmissverständliche Geste mit seiner Waffe. »Unwichtig, ob Sie schweigen. Wir werden den Roboter finden. Sie kommen jetzt mit uns.«
Folgsam gingen die Menschen vor den Copanern her, direkt auf den Raumhafen zu, auf dem immer noch rege Aktivität herrschte. Hinter sich hörte Commander Perkins den Anführer sprechen und der Klang der Antwort zeigte, dass er Funkkontakt zu jemanden aufgenommen hatte. Der Sinn ergab sich schon Sekunden später, als sich einer der Gleiter aus dem Strom der Beförderungen zu den Raumschiffen löste und mit heulendem Antrieb über sie hinweg flog, direkt über den Wald. Commander Perkins warf einen Blick nach oben. Der Gleiter flog in weiten, komplizierten Suchmustern über die Wipfel hinweg und konnte damit in kurzer Zeit ein erstaunlich großes Gebiet absuchen. Inbrünstig hoffte er, dass die Individualklasse der 27. Generation wirklich so perfekt war, wie der Androide so gerne behauptete. Es war zu wichtig, die Daten und die Gefangenen zur Erde zu bringen. Das was er und Peter bisher ans HQ hatten melden können, war nicht ausreichend für die militärische Oberregierung der Erde, um sich auf die Invasion angemessen vorbereiten zu können. Doch mit den letzten Daten und zwei Gefangenen, die man verhören konnte, gab es etwas womit der General und sein Stab arbeiten konnte. Dann hatten sie trotz ihrer letztendlichen Gefangennahme wenigstens ihren Auftrag erfüllt. Wenn aber auch Camiel erwischt wurde, war die ganze Mission gescheitert. Es war wohl sicher anzunehmen, dass kein weiteres Team hier eingeschleust werden konnte, wenn Crinian vom Schicksal seiner beiden Offiziere erfuhr. Nicht, wo die Copaner jetzt vorgewarnt und besonders wachsam waren.
»Los, weiter!« Unsanft wurde dem Commander ein Lauf in den Rücken gestoßen und er merkte, dass er beim Beobachten des Gleiters fast stehen geblieben war. Rasch setzte er sich wieder in Bewegung. Man lotste sie beide zu einem etwas erhöhten Landefeld, fast in der Mitte des Raumhafens und hieß sie dort stehen zu bleiben.
Trotz ihrer Situation ließen die Offiziere in ihrer Aufmerksamkeit nicht nach und sahen sich wachsam um, nahmen alle Details in sich auf. Alles konnte später einmal wichtig sein. Automatisch prägten sie sich den Grundriß der Anlage ein, die sie von hier aus viel besser übersehen konnten, als von ihrem früheren Beobachtungsposten. Perkins wollte die Augen mit einer Hand vor dem grellen Sonnenschein beschatten, doch das flackernde Energiefeld eines Waffenlaufes, das dicht vor sein Gesicht auftauchte, ließ ihn innehalten. Nach einem Blick in die harten Augen seines Gegenübers, hob er die Hand wieder neben seine Schulter.
Regungslos blieben sie stehen. Die Hitze ließ die Luftschichten über dem Boden flimmern und schon nach kurzer Zeit waren die Menschen von der Erde in Schweiß gebadet. Ihren Bewachern schienen die Temperaturen überhaupt nichts auszumachen, sie blieben vollkommen ungerührt, während sie ihre Gefangenen wachsam im Auge behielten.
»Jetzt weiß ich endlich, wo die Hölle wirklich liegt,« brummte Hoffmann, dem die Schweißtropfen mitten über das Gesicht rannen. Er wagte aber nicht, sie weg zu wischen. »Aber viel hilft uns das nicht. Ich weiß nicht einmal ihren Namen. He! Wie heißt dieser Planet hier?«
»Ruhig sein! Beide!« Die Augen des befehlshabenden Copaners huschten angespannt zwischen ihnen beiden hin und her und Perkins ahnte, was ihn beunruhigte. Vielleicht konnte er mit dem Begriff Hölle nichts anfangen und er musste ja befürchten, dass seine Gefangenen versuchten, sich in einem Geheimcode abzusprechen.
Ein leises Summen ertönte, das schnell lauter wurde und dann landete ein Beiboot auf der Plattform, das etwas kleiner und schlanker war als die anderen alle. Offenbar war dies nicht für den Transport von Gütern vorgesehen, sondern nur für Personen.
»Einsteigen!«
Alles in ihm sträubte sich dagegen, sich in ein Gefährt zu begeben, mit dem man sie wer weiß wohin verschleppen konnte, doch angesichts der mindestens zwanzig auf sie gerichteten schusswaffen gab es keine Alternative. Sie betraten eine Art Schleuse und Major Hoffmann wollte sich noch wieder zurückwerfen, als direkt hinter ihnen das Schott zuglitt, doch es war zu spät. »Verdammt!« fluchte er laut und griff hastig in einer seine Taschen. Commander Perkins reagierte ebenso schnell, trotzdem waren sie nicht schnell genug. Obwohl kein Zischen oder sonst etwas zu hören war, spürten sie gleichzeitig die Wirkung eines fremden Gases. Wie in einer wilden Karusselfahrt rutschte ihr bewusstsein in völlige Schwärze.
Sie hatten keine Ahnung, wie lange sie bewusstlos gewesen waren, als sie in einem Raum erwachten, der ebenso spartanisch eingerichtet war wie die Baracke. Automatisch wollte Commander Perkins einen Blick auf seinen Chronometer werfen, doch er sah nur auf sein nacktes Handgelenk. Eine rasche Untersuchung bewies, dass die Copaner ihm alles abgenommen hatten, was er bei sich trug. Major Hoffmann kam zum gleichen Ergebnis. »Als ob ich so etwas nicht geahnt hätte,« knurrte er.
»Beruhige dich, Peter. Wir müssen jetzt unsere Sinne beisammen halten.« Perkins erhob sich von der Liege. Der runde Tisch in der Mitte des Raumes war leer, ebenso wie die kahlen Stahlwände, die sie umgaben. Nur an einer Seite waren runde Fenster eingelassen, die ihn an Bullaugen erinnerten. Ahnungsvoll trat er heran und sah seinen Verdacht bestätigt. Man hatte sie beide auf eines der Raumschiffe gebracht und nachdem er mehrere Minuten hinausgesehen hatte, konnte er erkennen, dass sie an einem Sonnensystem mit mehreren Planeten vorbeiflogen.
Sie waren gefangen und verschleppt worden. Das Raumschiff flog durch den Weltraum, einem unbekannten Ziel entgegen und damit weg von der einzigen Möglichkeit, die sie hatten, um nach Hause zurück zu kehren. Sie waren verloren. Denn selbst wenn sie eines von den Beibooten stehlen und entkommen könnten, wüsste er nicht, welcher der tausenden Planeten des copanischen Reiches der war, von dem sie gekommen waren. Er hatte ja nicht einmal den Namen des Planeten.
»Ich glaube, das ist unser Ende, Randy.« Peter Hoffmann war neben ihn getreten und starrte ebenfalls nach draußen. »Diese fanatischen Idioten werden uns nicht entkommen lassen. Hier kommen wir nicht mehr raus. Es ist aus mit uns.«
Commander Perkins schwieg. Er konnte seinem Freund nichts tröstliches sagen, doch er wollte ihm auch nicht bestätigen, dass seine eigenen Gedanken nicht weniger düster waren. Es sah verdammt übel für sie aus...
FORTSETZUNG FOLGT ...
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Nachschub von
CINDY C.
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28-09-2008
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Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
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